Hartmann von Aue Minne waltet grôzer kraft (um 1180/85) Minne waltet grôzer kraft, wande sî wirt sigehaft an tumben unde an wîsen, an jungen unde an grîsen, an armen unde an rîchen. gar gewalteclîchen betwanc sî einen jungelinc, daz er alliu sîniu dinc muose in ir gewalt ergeben und nâch ir gebote leben, so daz er ze mâze ein wîp durch schœne sinne und durch ir lîp minnen begunde. dô sî im des niht engunde daz er ir wære undertân, sî sprach, er solde sîs erlân. Doch versuochte erz ze aller zît. disen kumberlîchen strît entorste er nieman gesagen: dar umbe wolte ern iemer tragen, ob er sî des erbæte daz sî sînen willen tæte, daz ez verswigen wære. er klagete sîne swære niuwan in sînem muote und hete in sîner huote, sô er beste kunde, daz es ieman befunde. daz was von Ouwe her Hartman, der ouch dirre klage began durch sus verswigen ungemach. sîn lîp zuo sînem herzen sprach: Ouwê, herze und dîn sin, wærst dû iht anders danne ich bin, dû hætest wol versolt umb mich daz ich klagete über dich allen den ich des getrûwe daz sî mîn schade gerûwe daz sî mich ræchen an dir. und wære dar zuo state mir, zewâre ich tæte dir den tôt und gulte dir alsolhe nôt di dû mir ofte bringest, wan dû mich leider twingest mit dîner kraft swes dû wil: wan des gewaltes ist sô vil des dir an mir verlâzen ist daz mir deheines mannes list fride dar vor mac geben, ich enmüeze in dînem gewalte leben, daz ich dem niht entwenken mac. des gewinne ich manegen swæren tac: wan dich wil niht genüegen swaz dû mir maht gefüegen nâhen gênder riuwe. daz ist ein untriuwe, sît dû in mir gehûset hâst und diu dinc an mir begâst diu under friunden missezimt, wan sî mir freude gar benimt. ... Text mit geringfügigen Änderungen nach: Kurt Gärtner (Hrsg.), Hartmann von Aue. Die Klage, De Gruyter 2015 |
Das Klagebüchlein/Die Klage Die Liebe ist kaum zu überwinden, wenn sie sich erst einmal durchgesetzt hat bei Tumben und bei Weisen, bei Jungen und bei Alten, bei Armen und bei Reichen. Ganz außerordentlich hat sie einst einen Jüngling bezwungen, so dass er all sein Sinnen in ihre Gewalt geben musste und nach ihrem Gebote leben, so dass er tugendhaft eine Frau dank ihres edlen Wesens und ihres Leibes zu umwerben begann. Wobei diese ihm nicht erlaubte, dass er ihr untertan sei, sie teilte ihm mit, er solle davon ablassen. Doch er bemühte sich immer wieder. Von dieser betrüblichen Auseinandersetzung erzählte er niemandem etwas. Und so hätte er es immer gehalten, wäre es ihm gelungen zu erbitten, dass sie ihm zu Willen sei, dass es verschwiegen bliebe. Er klagte seinen Kummer nur in seinem Inneren und behütete ihn gut, so konnte er sicherstellen, dass niemand etwas davon erfuhr. Dies war Hartmann von Aue, der dann die folgende Klage niederschrieb getrieben durch sein verschwiegenes Ungemach. Sein Leib zu seinem Herzen sprach: Oh weh, Herz mit deinem Eigensinn, wärst du etwas anderes als ich bin, du hättest es verscherzt mit mir, ich würde Anklage erheben bei allen die mir nahe stehen die mein Leiden etwas angeht, dass sie mich rächen an dir. Und stünde es in meiner Macht, ich würde dich töten und dir die Not vergelten die du mir oft bringst, wenn du mir leider aufzwingst mit deiner Kraft deinen Willen. Wo doch die Gewalt so groß ist die dir über mich gegeben ist, dass keines Mannes Klugheit Schutz davor gewähren kann und ich unter deiner Herrschaft leben muss, dass ich ihr nicht entkommen kann. Ich habe manchen peinvollen Tag, da dir nicht genügen will was du mir schon zugefügt hast ohne die geringste Reue. Das ist ein ständiger Verrat seit du in mir wohnst und deine Taten an mir verübst der sich unter Freunden nicht geziemt und der mir alle Freude nimmt. ... Übersetzung von Hartmut Schönherr |