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Catharina Regina von Greiffenberg
Auf die blühenden Bäume
(1662)
Ach du schönes weisses Feld /
aller Jubel-Vögel Zelt /
Frülings-Flor und Chor der Sänger /
Himmel der spatzieren-Gänger!
ich kan unterlassen nicht
dir zu richten meine Pflicht.
O du schöner Perlen-Baum /
die halb aufgeschlossen kaum!
Zephir-Zucker / Schnee vom Biesen!
Gipffel-Lilgen / Stamm-Narcissen!
alle Gleichnus gleicht dir nicht:
deine Zier viel höher sticht.
Schlossen-weisse Hoffnungs-Heerd /
die berühret keine Erd!
Schwanen-Schaar / die nicht in Seen /
sondern auf den Aesten stehen /
du lobst / ohne Zung' und Mund /
unsern Gott aus innern Grund.
Kreiden-weisses Blüh-Papier!
auf dich wird / des Schöpffers Zier /
sich / durch schwarze Kirschen / schreiben /
und die Süssheit einverleiben.
Jedes Blätlein / ob schon stumm /
laut bekennet seinen Ruhm.
Meine Feder schwinget sich /
setzte dieses Lied in dich.
Gottes Ruhm soll / durch mein schreiben /
ewiglich in dir verbleiben /
in dir in die Frucht verkehrt:
daß der Höchste werd geehrt.
Lob sey hier der Blüte Stern;
Ruhm und Preiß / der Kirschen Kern:
daß daraus ein Stamm aufschiesset.
aus der Dankbarkeit entspriesset
alles Segens Safft und Krafft;
sie erweicht den Gnaden-Safft.
Weis' und weisse Kunst-gespunst /
klares Stern-Geweb' und Kunst!
Schleyer / dessen zarten Faden
spunnen Göttliche Genaden!
mich ergetz dein Blühgestalt /
biß dich Gott mit Früchten mahlt.
Die bedeutendste Lyrikerin des 17. Jahrhunderts wurde am 06.
September
1633 auf Schloss Seisenegg in Niederösterreich geboren, mitten im
30jährigen Krieg. Ihre Familie gehörte dem protestantischen
Landadel
an, der zunehmend unter den Druck der Gegenreformation geriet.
Weshalb
sie 1663 nach Nürnberg übersiedelte, gemeinsam mit ihrem
fünfundzwanzig
Jahre älteren Onkel und Ziehvater, den sie 1664 wohl widerwillig
heiratete, dessen Erbe ihr jedoch nach seinem Tod 1677 eine
auskömmliche Existenz ermöglichte. Sie war befreundet mit
Sigmund von
Birken, einem der ersten Berufsschriftsteller deutscher Sprache und
führendes Mitglied des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg,
dem auch
sie angehörte. Daneben war sie Mitglied der Teutschgesinnten
Genossenschaft (Philipp von Zesen, Hamburg). Sie starb 1694 in
Nürnberg.
Catharina Regina von Greiffenberg entwickelte eine eigenständige
protestantische Mystik, die sich auch im Naturpreis des Gedichtes
"Auf
die blühenden Bäume" zeigt. Die Autorin darf mit gutem Recht
als eine
Begründerin der Naturlyrik aus dem Geiste protestantischer
Frömmigkeit
gelten. Ihr Einfluss etwa auf Brockes ist belegt und auch sonst
zeichnete ihr Werk mit einer breiten Rezeptionsgeschichte klare
Spuren
in die nachfolgende Lyrikentwicklung.
Dominierende Farbe in diesem Gedicht "Auf die blühenden
Bäume" ist
Weiß. In barockem Reihungsstil wird in der zweiten Strophe
aufgelistet,
was der Farbe der Blüten gleichkommt: "Zephir-Zucker", "Schnee vom
Biesen", "Gipffel-Lilgen", "Stamm-Narcissen". Und in der vierten
Strophe wird deutlich, um welche Blüten es sich handelt:
Kirschenblüten. In dieser Strophe finden wir auch das dichte und
packende Bild von "des Schöpffers Zier", die sich auf dem
"kreiden-weisse(n) Blüh-Papier" "durch schwarze Kirschen /
schreiben"
werde. Das Konzept vom Buch der Natur, in welches Gott seine Zeichen
eingeschrieben habe, wird hier in einer gleichsam dekonstruierten
Fassung präsentiert, die an Jacques Derridas Konzept der Schrift
erinnert.
In der sechsten Strophe zeigt von Greiffenberg, dass wir sie mit Fug
und Recht auch als eine Ahnin Rilkes begreifen dürfen. Die Weise,
wie
sie hier das Verhältnis von Blüte, Frucht und Stamm
beschreibt, findet
sich in Rilkes Gedicht "Die Frucht" 262 Jahre später wieder.
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