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Elisabeth von
Braunschweig-Lüneburg
Lebensbericht
(1555)
Ey gott mein lieber herre
Lob dich beidt tag vnnd nacht,
Ich will dich auch thun ehrenn,
Sieh, du hast mich gebracht
Ach schwerlich aus Mutterleibe
Bin ich in anngst getzelt
Ehe dem teuffell zu leide
Getauft wie es dir gefelt
Im ehestanndt bin ich begebenn
Dem edelenn herrenn mein,
Inn kranngkheit thet ich lebenn,
Ahnn furcht thet ich nicht sein.
Creutz, Jammer vnnde schmertze
Was mir alltzeit empor,
Ich schrei zu gott vonn hertzenn,
Dem vngelück kam zuvor.
Nach meiner seel gestandenn,
Auch nach dem leibe mit gewalt,
Vom wortt mich enthaltenn
Treibenn die da waren erkalt.
Mein trew thet mir denn schadenn,
Das redt ich vberlaut,
Das ist In nicht geratenn,
Ich bin ins herrenn hut.
Ich thett auch ernnstlich regirenn,
Im lanndt woll funftzehenn jar,
Thet weinig hoffirenn,
Das redt ich ganntz offennbar.
Der teuffell war ausgelassenn,
Wie menniglich ist bekannt,
Dennoch hielt reine straßenn,
Das lanndt gudt ruhe fanndt.
Gottes wortt thett ich liebenn
Vnnd brachts inn das Lanndt,
Viell thetenn sie mir zuschiebenn
Vncost inn meine Hanndt.
Dennoch nach gotts gefallenn
Klinget hir doch gottes wortt
Vnnd gehet hirin mit schalle
Vnnd ist allein mein trewer hortt.
Die arbeit ist nit zu ertzellen,
Der ich getragenn viell,
Thett mich auch ofte fellenn,
Meins schreibenn war kein ziell.
Dennoch thet ichs ertragenn
All zu derselbenn stundt,
Auf gots ergetzung thet ichs wagenn,
Mein hertz ist gar verwundt.
Einvnnddreißig jar im lannde
Bin ich gewesenn hir,
Trotz das mit warheit Jemande
Aufleg noch beweiß auf mich,
Was erbarkeit entgegenn,
Das ich getriebenn hedt
Mit schwerenn vnnd mit liegen
Das thet des teuffels sath.
Von Jederman ich geplaget wardt,
Mein Creutz ist stets vermerdt,
Das thett allein die bose ardt,
Vnnderthan ganntz vngelertt,
Ir trewe sie vergaßenn,
Entzogenn mir das brodt,
Es war In nicht geheißenn,
Der herr der halff aus nott.
Mein diener vnnd gesinde
Vergaßen pflicht vnnd eide,
Handeltenn mit mir geschwinde
Vnnd thetenn mir groß verdrieß.
Im Creutz thetenn sie nit pleibenn
Entzundenn mir mein Bett,
Noch feilt mir nicht leibe,
Der herr thet mich errettenn.
Inn gottes willenn mich ergeben,
Claget Im mein elenndt,
Nach seinem willenn lebenn,
Denn armen aus meiner Handt
Ach mocht ich dene gebenn
Nach meines hertzenn beger,
Mit meinem Sohn gar ebenn
Lebenn ahn zannck vnnd beschwer.
Hiemit so will ich endenn,
Ertzalt mein Creutz vnnd nott.
Erhalt mich inn deinen hendenn,
Mein herr schepfer vnnd gott.
From vnderthan mir beschere,
Du edeler erloser mein,
Zu deines nahmens ehre
Vnnd laß mich dannckbar sein.
Amen.
Der "Lebensbericht" von Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg ist
mit der
Anweisung überschrieben "Im thon Ich dannck dir lieber
herre
das du mich hast erlost", war also als (Kirchen-)Lied konzipiert. Es
ist durchaus bezeichnend für die Autorin und die Zeit, dass selbst
dieser bemerkenswert persönliche autobiographische Bericht im
Gewand
eines Kirchenliedes daher kommt. Kirchenlieder im engeren Sinne hat
die
Autorin im übrigen auch verfasst und ihr Beitrag zur Reformation
ist
beträchtlich, gelegentlich wird sie gar "Mutter der Reformation"
genannt.
Der Text schildert überwiegend Leiderfahrungen, denen sie im Laufe
ihres Lebens ausgesetzt war, durchsetzt mit religiösen Wendungen.
Am
Ende des Liedes resümiert sie "Ertzalt mein Creutz unnd nott" und
erbittet sich "from underthan", fromme Untertanen, aber auch "laß
mich
dannckbar sein" von Gott. Gleich die erste Strophe bringt, nach der
einführenden Verneigung vor dem "liebe(n) herre(n), führt ein
Ereignis
an, das als Schlüsselerfahrung ihres Lebens gelten kann, die
Todesnähe
schon bei ihrer Geburt "schwerlich aus Mutterleibe". Die "anngst"
stand
schon bei ihrer Geburt Pate, doch der "teuffell" freute sich zu
früh
auf eine ungetaufte Seele. Und so sollte es in ihrem Leben
weitergehen,
möchte sie uns mitteilen, zwischen "Creutz, Jammer unnde
schmertze" und
"ins herrenn hut" gestellt.
Die Datierung des Berichtes ist problematisch, doch es gibt starke
Argumente für die Zeit um 1555. Zwei konkrete Zahlen nennt sie im
Text,
einmal "Ich thett auch ernnstlich regirenn,/Im lanndt woll
funftzehenn
jar" in der vierten Strophe, dann "Einunndreißig jar im
lannde/Bin ich
gewesenn hir". Setzt man als ihren Regierungsbeginn den Tod ihres
Mannes 1540, so kommt man auf das Jahr 1555, lässt man ihren
Aufenthalt
"im lannde" mit der Heirat 1525 beginnen, kommt man auf das Jahr
1556.
Da sie vielleicht nicht erst mit der Heirat an den Hof ihres Mannes
kam, sondern schon ein Jahr zuvor sich dort zur Einübung in die
kommenden Pflichten befand, können wir 1555 als Entstehungsjahr
des
Textes für wahrscheinlich ansehen.
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